Ob Fritz Fischer, Ernst Nolte oder andere unbequeme Vertreter der denkenden Zunft, wenn derartige Vertreter des geistigen Deutschland gegen die von irgendwoher festgesetzten Normen unserer Gesellschaft zu verstoßen scheinen, werden sie ausgesiebt. Das war und ist bundesdeutsche Praxis. Kein Verlag druckt deren Forschungsergebnisse, kein Medium findet sich, da gelenkt, bereit Berichte für eine breitere Öffentlichkeit zuzulassen. Erst recht nicht ab 20.15 Uhr „Bundesweit“ oder in überregionalen Zeitungen.
Es ist völlig uninteressant, ob diese Taktschläger nonkonformistischen Denkens politisch eher konservativ oder im Grundsatz liberal denken mögen. Es geht nämlich in Deutschland nicht nach Algebra oder höherer Mathematik sondern im letzten lediglich mit Addition und Subtraktion. Wer nicht Rot ist ist Schwarz, und umgekehrt. Dass diese Verteilung für die innere Hygiene und Leistungsfähigkeit unserer Nation unzuträglich ist, mag Jedem einsichtig sein; gleichwohl wird nach anderen Prinzipien verfahren.
So kam es zum Fehlschlag Fritz Fischers in der großen Kontroverse der 60iger Jahre, den Deutschen beizubringen, wie sie aus ihren, in der Vergangenheit begangenen Fehlern, für die Zukunft lernen sollten; Ernst Noltes Anliegen scheiterte, zumindest in Deutschland, das seit 1945 vorgegebene Geschichtsbild der Sieger des Zweiten Weltkrieges zumindest zu überprüfen.
Aber mag auch kurzfristig das traditionelle, da bequemere Denken siegen, über die größere Distanz werden Fischer und Nolte zu den – wenn auch scheinbar unter grundsätzlich unterschiedlichen Gesichtswinkeln und Methoden herangehend – die großen Vordenker der künftigen deutschen Gesellschaft sein. Mag man sich ihrer heute auch nicht gern erinnern wollen. Aus welchen Gründen auch immer. Erinnerungen, verbunden mit den Zielsetzungen, die Ernst Nolte in den jeweiligen Stadien der Diskussion nahe waren, finden siehe unter www.forumfilm.de/Archiv. Das Auf und Ab der damaligen Argumente ist dort an Hand einer kleinen Sammlung von Pressespuren vorgeführt.
Fritz Fischer sagte, in Erwiderung auf die Laudatio zu seinem 80. Geburtstag 1988 im Professorenclub der Hamburger Universität, es sei ja nicht selbstverständlich, dass ein Historiker das Sensorium seiner Zeit erreiche. Deshalb sei es umso wertvoller und befriedigender, gerade dieses Wissen, aus dem eigenen Erleben, mitzunehmen. Daraufhin umarmte er seinen großen Gegner aus den 60iger Jahren, den Hamburger Kollegen an der Universität, Egmont Zechlin, publikumswirksam.
Ernst Nolte, geboren am 11. Januar 1923 in Witten a. d. Ruhr, starb am 18. August 2016 in Berlin. Wir lernten uns kennen durch eine Bewerbung auf eine Assistenzprofessur an der FU Berlin, 1978. In den Neunziger Jahren sprach ich ihn auf den Nürnberger Prozeß, und die Interpretation der jüngeren deutschen Geschichte, an. Wir sahen uns darauf regelmäßig zu Gesprächen in den Sommermonaten bis in das Jahr 2012. Unser Gedankenaustausch mag hier die Themen zeigen, die wir behandelten.
Dokumente.
1. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 31. Oktober 1997.
Anliegend finden sie bitte einige Unterlagen aus dem Internet zu Ihrer Information. Ich würde mich freuen, wenn wir unser letztes Gespräch bald fortsetzen könnten. Ich werde wiederholt in den kommenden Monaten in Berlin sein.
2. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 9. Dezember 1998.
Daß mich auch eine kleine Kontroverse wieder „erwischt“ hat, zeigt Ihnen der Brief Stig Foersters in der Anlage. Ein etwas merkwürdiger Briefanfang … Und auch im Fortgang etwas sehr couragiert. …
Meine Antwort habe ich der Ordnung halber angefügt, da sie auch meine Überzeugung in der Sache mitteilt. - Allerdings, und das würde ich nie leugnen, wird noch viel dazu zu schreiben bleiben. Dies, zumal wir erst seit 1984 im Besitz der Quellen für eine breitere Behandlung sind.
… Überhaupt scheint mir über das Internet ein Weg zu f r e i e r e r Publikation als mit den Verlagen möglich. Auch kann ich mit Extra-Blatt direkt an den Verbraucher herangehen, was ja auch mit Diäko versucht wird. Auf beiden Seiten, Gott sei Dank, mit einigem Erfolg.-
Über Ihr neues Buch, dessen Ansatz ich sehr interessant finde (ich darf an unser Gespräch bei Mölln erinnern), habe ich im Anfang Oktober eine etwas merkwürdige Rezension in der SZ gelesen. Aber diese Hausnummer scheint es sowieso mit der geistigen Freiheit nicht so ernst zu meinen. Das durfte ich mit meinem Riezler-Buch auch schon erfahren.
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir unser Gespräch wieder fortführen könnten. Die Pause war meinerseits ausschließlich die doppelte Arbeit bei F[orum]F[ilm] und Diäko verursacht. Zudem schreibe ich an einem größeren Aufsatz zu den „Krisenkonferenzen“ im Kaiserreich, der mich durch ständig neue Quellenfunde in Atem hält. Man glaubt gar nicht wie oft über Krieg und Frieden damals diskutiert wurde. Und in welch erstaunlich klarer Sprache
3. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 9. Januar 1999.
Haben Sie besten Dank für diese reichhaltige Sendung. Ich habe daraus nicht wenig gelernt; so war ich z.B. immer der Meinung, einige DDR-Truppen hätten 1968 an der Besetzung der Tschechoslowakei teilgenommen. Aber das war offenbar nur „virtuell“ der Fall.
Im Prinzip bin ich der Auffassung, die deutschen Historiker müssten – nicht insgesamt, aber doch zu einem bedeutenden Teil – auf „Revisions“kurs gehen, denn wenn die Sieger fünfzig Jahre lang nahezu allein das Sagen gehabt haben, müsste allerlei an „Legenden“ oder mindestens an Einseitigkeiten zu korrigieren sein. Aber anscheinend geht in der ganzen (westlichen) Welt eine starke Tendenz dahin zu zeigen, wie schlimm doch in früheren Zeiten das eigene Land gewesen sei, und insofern ist gegen die Behauptung von Herrn Foerster, die Dinge seien noch viel schlimmer gewesen, nichts einzuwenden. Er sollte nur nicht meinen, dass er etwas ausschliesslich für Deutschland Zutreffendes sagt. Übrigens hätte ich gern eine Quellenangabe für den angeblichen Satz des Kriegsministers von Einem.
Täuschen Sie sich nicht, wenn Sie meinen, Sie hätten in der SZ eine Rezension der „Historischen Existenz“ gelesen? Gegf. wäre ich für einen Hinweis oder für eine Kopie dankbar.
Sie stellen durch Ihre Tätigkeit auf überzeugende Art unter Beweis, dass ein Historiker nicht unbedingt an einer Schule oder einer Universität tätig sein muss.
4. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 16. Mai 1999.
Seit dem Himmelfahrtstag sind wir zu unserem diesjährigen (vorläufig noch recht kühlen) Sommeraufenthalt in Brunsmark, und ich müsste telefonisch ständig erreichbar sein, zumal während der Morgen- und Abendstunden. Über das Ausmass Ihrer „doppelköpfigen“ Tätigkeit bin ich sehr erstaunt; es wird mir ein Vergnügen sein, mich wieder einmal mit Ihnen zu unterhalte
5. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 27. Mai 1999.
Unser gestriges Gespräch hat mich auf der Rückfahrt beschäftigt. Die Situation Jugoslawiens sehe ich im Licht der Geschichte und des steten Bestrebens Serbiens, zur Adria und zur Großmacht auf dem Balkan durchzubrechen. Dazu werden alle Mittel der subversiven Kriegführung genutzt. Die Absicherung beim russischen Bruder schien gegeben.- Die Erfahrungen der Jahre 1993ff. Mochten die Erwartung bestärken, gegen den Rest Europas diese Ziele in Montenegro, Bosnien und Albanien erreichen zu können.
Europa ist bislang auf die neuen Anforderungen in der Welt (Kuwait-Krieg) nicht vorbereitet. Weder innen-, noch außen-, noch militärpolitisch. Ich habe den Abbau der NVA, materiell wie personell, sehr bedauert. Deutschland und Frankreich bilden das Zentrum der EU. England und die USA stehen am Rande, mit eher egoistischen Motiven und Zielen. Kriegsziele auf dem Balkan hat Deutschland 1999 wie 1912/14 keine. Darin stimme ich Wilhelm II. (im August 1912) zu. Es bleibt für Deutschland nur ein möglichst sparsamer Einsatz seiner militärischen Kräfte.
Übernational scheint die UNO-Lösung (peace-keeping-forces, politische Lösung m i t Jugoslawien) der einzige realistische Weg w e n n wir uns über die Jahrfünfte hinweg Zeit nehmen wollen. Soll das Problem - im Sinne der Erledigung von Krisengebieten (Signalwirkung auf weitere Diktatoren)- gelöst werden, dann bleibt nur der massive Einsatz von gepanzerten Kräften aus Kroatien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, um Belgrad zu nehmen und die serbische Armee im Kosovo abzuschneiden. Die Verteidigung der albanischen Grenze, Bosnien und Makedoniens bleibt dabei schwächeren Kräften, die bereits dort stehen, vorbehalten (Hammer-Amboß). Dazu bleibt nur der Zeitraum zwischen Mai und September (Anfang Oktober). Ab September wäre mit dem Beginn der Rückführung der Vertriebenen zu rechnen. Die Masse aber erst im Anfang des Jahres 2000.
6. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 27. Juni 1999.
Seit Ihrem Brief vom 27.5. ist der Kosovo-Krieg nun zu einer Entscheidung gelangt, die unter vielen Gesichtspunkten – nicht nur durch die unerwartet lange Dauer der „Kampfhandlungen“ - verwirrend wirkt. Bill Clinton will, wie man liest, mit ähnlichen Methoden überall in der Welt das politische Unrecht ausmerzen, aber ich glaube eher, dass die NATO sich als gebranntes Kind betrachtet und nie wieder Vergleichbares in Gang setzen wird, da sie nun paradoxerweise als Urheberin einer abermaligen „ethnischen Säuberung“ gelten muss. Darüber werden Sie gewiss bald einen neuen Artikel verfassen, und es wird mich freuen, zu den Adressaten zu gehören.
7. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 27. Juli 1999.
Ihr Bericht über die Tagung der „Düsseldorfer Schule“ war für mich recht interessant, zeigte er mir aber auch, wie wenig ich mit den „jüngeren Historikern“ und ihren Konflikten bzw. Vor-Urteilen vertraut bin.
Über die Kosovo-Frage muss der Versuch eines Endurteils mindestens bis zur Klärung des Mordes an den vierzehn Serben hinausgeschoben werden. Wenn Albaner die Täter waren, rückt diese „humanitäre Intervention“ in ein noch düsteres Licht.
Nach der glücklichen Geburt unseres ersten Enkelkindes pendeln wir mehr als bisher zwischen Brunsmark und Berlin. Die Dinge müssen sich erst wieder einspielen
8. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 7. Dezember 1999.
Sie sind ein ermutigendes Beispiel derjenigen (und wohl nicht allzu zahlreichen) Historiker, die sich auf das nichtakademische Glatteis der freien Wirtschaft wagen und trotzdem produktive Forscher bleiben. Ihre Arbeitskraft ist wirklich erstaunlich. Und Sie haben sich nicht eine „Nische“ gewählt, sondern eher einen öffentlichen Turnierplatz.
Fritz Fischer müsste Ihnen vor seinem Tode noch ein ermutigendes Wort haben zukommen lassen. Ich werde mich von Ihnen gern noch ausführlicher unterrichten lassen, sobald wir wieder in Brunsmark sind oder wenn Sie gelegentlich eine Reise nach Berlin machen; im Augenblick möchte ich Ihnen nur eine erholsam-besinnliche Festzeit und einen (nicht-computergestörten) Übergang in das neue Jahrtausend wünschen.
9. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 19. September 2000.
Ihr Buch, für dessen freundliche Übersendung ich danke, gibt zu mancherlei Überlegungen Anlass, und das gehört bekanntlich zum Besten, was man über ein Buch sagen kann.
10. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 8. August 2001.
Von „Gunst“ oder „Ungunst“ kann keine Rede sein – im Grunde hängt alles davon ab, wie man die konkrete Situation der Gegenwart einschätzt. Wenn unter den Historikern eine „deutschnationale[“] Einstellung vorherrschte, würde ich ebenfalls der Meinung sein, dass scharfe Selbstkritik, gerade auch im Hinblick auf das Wilhelminische Reich und den Ausbruch des Ersten Weltkrieges am Platze sei. 1961 war für Fritz Fischer wohl tatsächlich diese Situation gegeben, und insofern hat er sich zweifellos ein großes Verdienst erworben. Aber nicht zuletzt durch seine Langzeitwirkungen ist ja doch in der Gegenwart eher die gegenteilige Einstellung herrschend geworden, die eine Tendenz zur umstandslosen Selbstverwerfung der Deutschen mit sich führt. Deshalb meine ich, dass man heute sogar den Nationalismus von Männern wie Ritter und Zechlin eher mit Verständnis betrachten als mit Härte verurteilen sollte. Leider ist schon bei Fischer selbst ein „proton pseudos[„] wahrzunehmen, weil er zwar verdienstvollerweise eine seit langem verdrängte Kritik wieder ins Leben rief, aber den Blick auf die Kriegsziele und die Kriegsschuld der alliierten Mächte durch Nichtbehandlung verdeckte. Ich gebe jedoch zu, dass Sie recht hätten, wenn Ihre Einschätzung der Einstellungen Ihrer Kollegen unter den Kriegshistorikern richtig wäre. Ich habe da meine Zweifel, aber meine Kenntnisse sind unzureichend.
11. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 21. Dezember 2002.
Ich danke Ihnen für Ihre Liebenswürdigen Grüße und Wünsche zum neuen Jahr, die ich herzlich erwidere. Leider wird dieses neue Jahr aller Voraussicht nach den ersten Angriffskrieg der Weltgeschichte sehen, der in aller Ruhe und Offenheit vorbereitet und angekündigt worden ist – bisher hätte jede bedrohte Macht mit einem Präventivschlag geantwortet, und sie hätte das volle Recht dazu gehabt. Aber es steht eben Goliath gegen David, und der erfolgreiche Schleuderstein ist offenbar nicht vorhanden.
12. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 6. Januar 2003.
Nachdem ich Ihnen den Hinweis auf meine IRAK-Krieg-Dokumentation hoffentlich geschickt habe, erhalte ich Ihren Brief vom 21. Dezember 2002, für welchen ich Ihnen sehr danke.
Ich nehme diesen als Antwort. Eigentlich ganz selbstverständlich finde ich die in Ihren Zeilen enthaltene Bemerkung zum Angriffskrieg der Amerikaner mit dem IRAK. Doch finde ich gleichzeitig diesen Angriff an sich ebenso selbstverständlich. Die Lage ist nun einmal nach dem 11. September derartig verschärft, dass wir uns bereits im III. Weltkrieg befinden, ohne es zu wissen. War das 1939 genauso?
Jedenfalls sollten wir Historiker uns davor hüten, Geschichte zu sehr in den Kategorien der Periodisierung zu sehen. Mit dem Beginn eines Krieges ist nicht überall gleichzeitig und flächendeckend dieser Zustand gegeben, mit dem wir das Schlachtfeld als Bild verbinden.
Mir machte in den letzten Wochen die Arbeit an meinen Interviews zum Kuwait-Krieg (und zur Strategie Saddam Husseins) deutlich, wie unverkennbar bereits damals die Fragen der heutigen Problemlage angesprochen wurden. Es kann in dem strategischen Raum um nichts anderes als um Vormachtstellung und Hegemonie gehen. Heben sie doch die Russen (und deren Erdölreservoir) empor. Gleichzeitig werden die Türken militärisch wie politisch mobil. Ganz entsprechend deren Funktion im Operationsplan der vereinigten Stäbe der USA, GB, Israels und der Türkei (-Nato). Diese stellen nicht nur eine der Ausgangsbasen für die Operationen, sie werden als islamischer Staat auch politisch (gegenüber Ägypten) mobil. Damit verdient sie sich bereits vor dem Schlachtfeld die Sporen, die zu beträchtlichen Anteilen an der Kriegsbeute (IRAK) berechtigen werden.
Dass von der chemischen bis zur bakteriologischen und atomaren Kriegführung alles möglich ist, wurde bereits 1991 deutlich. Dass in dieser Hinsicht einiges damals passiert ist, bestätigen mysteriöse Erkrankungen bei Golfkrieg-Veteranen. Dass dennoch militärisch operiert werden wird, hat z.B. der Generalmajor Deim (NVA) ganz unmissverständlich gesagt. Ob es sich nun um eine Kombination aus Angriffen verschiedenster Basierung (von allen Seiten) handeln wird, oder um kombinierte Luftlande- und Bodenvorstöße, oder ein bis zwei Angriffskeile von Panzerverbänden, die von Westen und Norden auf Bagdad zielen, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wird der Luftraum eindeutig von den Anglo-Amerikanern beherrscht werden. Ob Raketenartillerie über große Entfernung, und mit starker Massierung vom Irak eingesetzt werden kann, wird bezweifelt. Ob Saddam Hussein einen neuen Angriff auf Kuwait startet, in den (Neben-)Aufmarsch der Verbündeten hineinstößt und dieses Kriegstheater neu eröffnet, ist offen, aber ein durchaus plausibles Rezept. Denn was wird dann aus Kuwait, und was wird aus den Entscheidungsstößen auf Bagdad?
Obwohl an sich bereits jetzt entschieden, würde der IRAK-Krieg dennoch einen überraschenden Verlauf nehmen und der kurze Krieg, den alle (die Börsen, die Deutschen etc.) erhoffen, wäre erledigt und das Jahr 2003 wäre das Jahr des Frankreichfeldzuges (oder von „1914“). Denn das ließe uns annehmen, der Krieg gegen Nordkorea, Iran,und Lybien würden nicht folgen?
Hier breche ich ab, denn so früh im Jahr möchte ich solche Gedanken nicht zu sehr vertiefen.
13. Tagebuch Schulte. 5. Februar 2003.
Ernst Nolte sagte heute zu mir, wir hätten und damals, 1978, als ich mich bei ihm bewarb, wohl gut verstanden haben. Wir wollen uns sehen, ob in Berlin oder Brunsmark. bleibt offen.
14. Tagebuch Schulte, 13. Februar 2003.
Nolte stellt sich überall dazwischen. Zwischen Deutschland und Rußland. Zwischen Westeuropa und Marxismus/Kommunismus. Er verteidigt überall Deutschland für den Ersten Weltkrieg, für Weimar, für das IIII. Reich.
15. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 5. August 2003.
Inzwischen hat sich in Koblenz gezeigt, dass Heuss das Riezler-Tagebuch im Original in der Hand hatte. Ferner hat er mit Toni Stolper über die darin enthaltenen Fragen gesprochen. Die Spuren dieser Erkenntnisse liegen nun offen. Es ist aber weder das Positivum noch Negativum bewiesen, denn es kann durchaus sein, dass die Aussagen bei Heuss und Riezler sich – bedingt durch jeweilige Färbung – auf die eingegrenzte Aussage des originalen Tagebuch h e f t e s XXX („a“ u. „b“) oder die Schilderungen der publizierten Blockblätter Erdmanns, bzw. „philosophica“, beziehen.
Zu Fritz Kleins Elternhaus/Herkunft erfuhr ich von ihm:
a) dass er breit in seinen Memoiren „Drinnen und Draussen“, Frankfurt (S.Fischer) 2000 geschildert habe.
b) der Siebenbürgener Hintergrund seiner Familie, und das konservative Denken seines Vaters, leitend waren. Sein Vater sei „kein Nazi“ gewesen, „aber ein Mann, der die neue Regierung als Einheitsregierung gegen die 'Schmach von Versailles'“ auffasste. Er schrieb in der „Deutschen Allgemeinen“ im Sinne der Erwartung, dass sich die bürgerlichen Kräfte, in dem Regierungsspektrum gegenüber der NSDAP, profilierten. Doch sei sein Vater als Chefredakteur der „DA“ durch die Nazis, auf Grund dieser Äusserung, verdrängt worden.
Gerade stelle ich den Band 2 meiner Reihe „Hamburger Studien zu Geschichte und Zeitgeschehen“ fertig. Der Titel „Weltmacht durch die Hintertür“ soll in der Einleitung am Beispiel unserer heutigen Schwächen und Wehwehchen als Staat erklärt werden.
16. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 13. April 2006.
Zum ersten Mal sind wir wieder in Brunsmark, aber leider bei weitem nicht im Frühling! Bald nach der Rückkehr von dieser kurzen Rekognoszierungsreise steht mir in Berlin eine Augenoperation bevor, und vor Ende Mai werden wir unser Sommerdomizil nicht einigermaßen dauerhaft beziehen können. Aber sobald die Umstände wieder normalisiert sind, werden wir uns hören lassen, und dann wird hoffentlich einige Zeit später Ihr schöner Wagen wieder vor unserm Häuschen parken. Vorläufig wünschen wir Ihnen und Ihrer Lebensgefährtin ein schönes Osterfest
17. Ernst Nolte an Bernd F, Schulte, 12. Juni 2006.
Vor kurzem habe ich Sie in einem Brief an einen meiner früheren Promovenden, der einen verzweifelten Kampf um die Fortsetzung seines (objektiv wichtigen) Projektes zu führen hat, als Vorbild hingestellt (ohne Namensnennung, wie sich versteht), und ich glaube tatsächlich, dass Sie die bessere Entscheidung getroffen haben, als Sie dem gegenwärtig herrschenden extremen Konkurrenzkampf an der Universität aus dem Wege gingen, der viele begabte jüngere Menschen zu einer ungemein frustierenden Art von Bettler-Existenz verdammt. Erstaunlich ist, wieviel Zeit Sie noch für die Weiterführung Ihrer Forschungen gehabt haben. Ihr neues Buch mit dem zuspitzenden Titel „Armageddon des Kommunismus“ ist neuartig und wichtig, aber nicht leicht zu lesen, da es zwei ständig ineinanderspielende Themen hat, nämlich die industrielle Endphase der DDR und deren spätere Erforschung.
Es freut mich, dass Sie den „Themenabend“ in 3sat gesehen haben und meinen Anteil daran positiv beurteilen. Dass ich nicht zur Teilnahme an der Diskussion eingeladen wurde, fand ich verständlich, denn die Verantwortlichen werden intern schon genügend für das beinahe Unerhörte kritisiert werden: einer in den Augen eines „Papstes“ wie Reich-Ranicki „verächtlichen Persönlichkeit“ zur besten Sendezeit 80 Minuten für eine Art von Monolog eingeräumt zu haben.
Wir werden in den nächsten Tagen nach Lyon fliegen, um von dort aus eine Kreuzfahrt auf der Rhone zu machen; während der Monate Juli und August werden wir aber fast ununterbrochen in Brunsmark sein.
18. Tagebuch Schulte, 16. Mai 2007.
15:30 Uhr. Mittwoch. Besuch bei Nolte in Brunsmark.
Machte sehr retardierten Eindruck. … -
Ich wollte von ihm zu der jüdischen Überrepräsentanz in Deutschland eine Lösung. Er aber zog sich auf die Position zurück, es sei in Deutschland eine offene Gesellschaft vorherrschend. Wenn es an einer Stelle nicht ginge, dann an der 90. Aber es ist wohl anders. Ich sagte, das Element der Korruption sei leitend. Er wollte zu Rechtsradikalismus nicht zustimmen. Die Gewalt komme von Links. Ich hatte gesagt, die Linken und die Rechten würden sich auf den Strassen prügeln wie in Weimar. Die Lage in Deutschland sei wie nach 1919, als die Untereliten in die Führung des Staates vordrangen (Rathenau, Erzberger etc. +Anhang).
Ich legte den Vortrag von Walter Goetz (1925) zu „Deutschland und Rußland“ vor, der einige Stellen scharf und in jüdischer Art hatte. Das wußte Nolte aber mit dem Argument, das sei weit verbreitet gewesen, abzuschwächen. Doch kam er noch einmal, indem er sagte, die Juden würden, wenn man sie kritisiere – wie z.B. Golo Mann, der von Horkheimer und Habermas in Frankfurt versichert wurde, sofort von „Antisemitismus“ reden. Doch wenn das durch die Jahrhunderte immer wieder aufkomme, dann müsse etwas daran sein.
Ich nutzte das Beispiel der adeligen und bürgerlichen Offiziere im Offizierkorps des Kaiserreiches, um zu sagen, daß die Juden die Schaltzentralen der BRD (Politik, Sender, Verlage) im Griff hätten und ein Deutscher, mit urdeutschem Namen, und nicht exotisch aussehend, dort keine Chance habe.
Man nehme nur die in Sendern als Redakteure Beschäftigten (… beim ZDF). Dr.Lotsch beim Droste Verlag/Düsseldorf etc. etc.
Sehr unbefriedigendes Gespräch. Nolte ist wohl … schwach. Sagte, es ginge doch bald mit ihm zuende.
19.Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 11. April 2008.
Gespräch in Brunsmark.
Immer wieder komme ich aus Brunsmark mit einem heimatlichen Gefühl zurück. Wir leben doch alle immer wieder aus Topoi, gespeist aus der Erinnerung.
Wie besprochen, sende ich Ihnen in der Anlage die Einleitung und den Schluss zu dem neuen Aufsatzband, der, im Zuge der Zeit legen soll - und nach den Bedingungen und Lösungswegen fragt, aus den Problemen mit dem gegenwärtigen Staat heraus. Vielleicht sollte dieser ganz abgeschafft und durch eine andere Organisationsform ersetzt werden? Der Ansatz: „Eine deutsche Staatsform für Europa“ soll reizen, darüber nachzudenken. Vielleicht ist der föderale Ansatz, in seiner extremen Form, gegenüber dem Zentralismus moderner Prägung ein nützlicher Stachel dazu.
Kaiserreich, Fischer und Erdmann, kurz die nicht ausgestandene Diskussion um den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hat natürlich wiederum ihren Platz. Der Ausblick auf das neue Buch dazu: „A Simple Illusion“, soll den Schlussstein abgeben, die Bemühungen Fischers, aus wirtschaftlicher und politischer Sicht, zu ergänzen. Ich stelle das militärische Element in den Focus, das an sich das entscheidende Moment bei einem Kriegs-ENTSCHLUSS hätte sein müssen, bis heute aber nicht abschließend gefasst ist.
Schwach bin ich für den Bereich des III. Reiches ausgewiesen. Anknüpfen möchte ich dort in Zukunft, ist doch meine Aufmerksamkeit noch gebunden an die Versuche der Aufarbeitung in den frühen 60iger Jahren (Mau-Krausnick, Churchill, Lidell Hart, Tippelskirch, Kesselring, Krummacher im ZDF). Spannend wird es schon, für den Fall der Bundesrepublik, die ja der eigentliche Gegenstand des Bandes ist. Es geht um die Frage: Was wird aus uns? So wie es ist, kann es nicht bleiben. Deshalb auch der Spiegel des späten 18. Jahrhunderts (der Misswirtschaft in Preußen unter Friedrich Wilhelm II). Effeminierung (s. meine jetzige Tätigkeit, Dekadenz, Verweichlichung, Pazifismus etc.) sind verbreitet gewesen da und sind herrschend hier. So geht der Weg nach 1806 – oder wie Sie vielleicht sagen würden – in Richtung Weimar, Eulenburg, Harry Graf Kessler etc.).
Das Vorbild könnte auch der Weg der DDR in den Abgrund sein. Da jedenfalls, so zeigen meine Beiträge zur westdeutschen Industriepolitik, waren wir im Westen nicht die Schwächeren. Aber waren wir das aus eigener Kraft? Zeigt sich nicht heute, wie wenig wir noch die Gegenwart beherrschen, weil wir in unseren Eliten, den „Job“ nicht mehr können?
Also ein durchweg für das Heute geschriebenes Buch, wenn es auch in Teilen alte Wahrheiten zeigt. So die Deutschen als die großen Verdränger. Wie haben wir doch vor dem Hintergrund der Atomdrohung fröhlich gelebt. Wie haben wir doch verdrängt, dass im Vorschwingen des Atomangriffs des Ostens und im Roll Back der NATO, Deutschland, West – wie Ost, der Vernichtung auf Ewig anheim gefallen wären. Ich bin 1968/70 so an den HOS ausgebildet worden. Weizäcker schrieb damals sein „Kriegsfolgen und Kriegsverhütungs-Werk“. Ich hätte es verstehen müssen!
20. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 24. Juni 2008.
Das neue Buch („Aufstieg oder Niedergang. Deutschland zwischen Mittelalter und Postmoderne“)
Ein Buch, welchen Zuschnitts und welchen Erscheinungsorts auch immer, macht schon einige Arbeit und dauert doch seine Zeit.
Wenn auch nur bei BoD in Norderstedt hergestellt, ist es dennoch in allen Buchläden zu erreichen, und, mit einigem Bemühen, kann sogar Werbung gestartet werden. Aber die Verkaufszahlen dieses Genres bleiben schandbar gering, sodass die Erlöse nicht die Aufwendungen decken. Also wieder einmal: l’art pour l’art!
Dennoch glaube ich, dass der Rahmen des Bandes ein Bedürfnis und eine Grundfrage unserer Zeit trifft. Dass dabei die Themen im Einzelnen, z.T. nur indirekt, die Dekadenzthese berühren (auf die eine oder andere Art), mag nur erfrischend auf den Leser wirken. Es dreht sich nun mal nicht Alles um den Ersten Weltkrieg.
Wie besprochen, mögen diese kurzen Bemerkungen genügen, da wir uns ja bald sehen wollen.
21. Bernd F. Schulte, Tagebuch 2008. Mittwoch, 24. September 2008.
„Gespräch bei Nolte in Brunsmark. Wollte die Frage beantwortet haben, ob die Juden tatsächlich das Sagen in Deutschland haben, wie es mein Eindruck ist aus den Beobachtungen seit 1994. Ich
glaube N. Wollte mir den Hinweis auf eine Gesellschaft in Jerusalem 1980 und die Freunde des israelischen Außenministers bei der Meldung, die irakische Atomanlage sei zerstört, sagen, daß das was ich vermute, zumindest möglich sei. Er weicht aber immer wieder mit verallgemeinernden Feststellungen aus, sodaß wir wieder zum geschichtlichen Thema Universitas-Sozialismus-Luther und die deutsche Geschichte der Tiefpunkte nicht weiterkamen. Er machte dennoch einen engagierten Eindruck, wenn er über Korruption und Dekadenz in der BRD referierte und sagen wollte, daß, wenn das so sei (zutreffe), er an den Dingen verzweifele. Nolte verwies auf die Unbestechlichkeit bei Berufungen von Professoren an den Universitäten (was ich anders sehe), da es doch letztlich auf die politischen Rahmenbedingungen ankam, und nicht nur auf die 'reine' Lehre. So gesehen, einige Stunden in Brunsmark, die den schönen Blick brachten, aber eigentlich doch einen Mann, der zwar im Alter...über das Phänomen der Dekadenz vortragen wird, aber wohl doch langsam aus den Dingen herauswächst.“
22. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 17. April 2008.
Unser Gespräch in Brunsmark am 16.4.ds.
In der Anlage finden Sie bitte den Umschlag Ihres Buches zu Martin Heidegger, der heute ins Netz gestellt wird.
Unser kurzer Schlenker auf die „Policy of Pretention“ vor 1914 hat mich veranlasst, Ihnen den Entwurf zu dem neuen Aufsatz in „Europäische Krise und Erster Weltkrieg“ beizulegen.
Die Anmerkungen sind noch nicht fertig bearbeitet. Deshalb habe ich diese weggelassen. Wichtig sind diese durch die darin geführte Diskussion mit der Arbeitsweise der Düsseldorfer Schule, die sich in den Jahren als Hauptgegner der Fischer-Richtung herausgestellt hat. Es handelt sich bei der Kontroverse wohl mehr um Politik, als um die Details der Julikrise, die Kriegsziele oder die Frage des Kriegsentschlusses.
Aber historische Wissenschaft ist m.E. die politischste Wissenschaft und insofern auch in direktem Bezug zur Gegenwart zu verstehen. Das sah Andreas Hillgruber kurioser Weise diametral anders.
23. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 28. April 2008.
Ihr Schreiben unter dem 27.4.ds.
Vielen Dank für Ihren anregenden Brief zu der „Policy of Pretention“. Gerade sagt Herr Ackermann etwas über die besten Mitarbeiter der Welt bei der Deutschen Bank. Das erinnert sehr an das Motto zur deutschen Armee des Kaiserreiches als der „besten Armee der Welt“. Superlative sind so eine Sache, aber vor 1914 war die Armee der Deutschen der Hebel im diplomatischen (einfalllosen?) Geschäft.
Dass „Bluffen“ hatte nur einen Sinn, wenn der Gegner zurückwich. Bethmann Hollweg ging aber zunehmend weiter; was mir aus den Schweizer Akten deutlich wird, wenn Grey und Haldane sich auf die RT-Rede des Kanzlers, am 3.12.1912, beziehen. Diese bedeutete einen fein zisilierten „Test“ (einerseits scharf gegen Russland und Frankreich – andererseits „honigsüß“ gegen England). Test heißt aber auch: es kann schief gehen. Oder wollte er nur (wie 1914/Erdmann) darüber die „Entente auseinander manövrieren“? Oder war das eher das Konzept des Konstrukteur-Philosophen Riezler?
Wir werden es sehen. Die Dinge sind noch genauer zu untersuchen. Die neuen Akten des Generalstabes, die dem II. Teil zugrunde liegen, zeigen die Kontinuität der Gefährdung. Aber ist das Leben nicht stete Krise? Wer wüßte das besser, als gerade wir heute! Ich stimme immer mehr mit Ihnen überein, die Frage nach der deutschen Kriegswilligkeit (dem Kriegsentschluß) kritischer zu beobachten. Mein Blick wandert infolgedessen zunehmend in Richtung der Engländer, zu deren Politik die schweizerischen Diplomaten der Zeit ja viel Neues (Altes) sagen.
Mein herzlicher Dank gilt Ihren Zeilen. Sie bestätigen mich in meinem Bestreben, den Dingen von 1914 auf die Spur zu kommen. Überraschen wird Sie vielleicht das Umschlagbild des Buches, das die Wartenden vor dem Berliner Schloß, am 2. August 1914, zeigt, wie sie abgespannt, mit tief gesenkten Köpfen in der Hitze auf den gußeisernen Rasenumgrenzungen, Bänken etc. sitzen. Kein Jubel – das scheint mir das Entscheidende...
24. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 6. April 2009.
Unser Gespräch (Telefonat) soeben.
In der Anlage finden Sie bitte den Entwurf des Berichtes zu Ihnen und Ihrem neuen Buch. Für die Zusendung des Verlagstextes danke ich Ihnen sehr. Wäre das nicht auch ein Haus für meine Publikationen?
Gern ändere ich den Text noch nach Ihren Vorstellungen. An sich sollte – ich erinnerte einen Bezug auf Fritz Fischer und Ihre Beurteilung seines wissenschaftlichen Schicksals – der Blick auf Ihre Bücher, und die dahinter stehende Diskussion wie deren Entwicklung, kurz angerissen werden. Die Pressestimmen scheinen mir ein treffendes Streiflicht auf die Eigenheiten der damaligen Situation zu geben.
Bestimmt wird sich der Leser bemüßigt fühlen, sich da oder dort eines der angeführten Bücher zu besorgen. Bitte geben Sie mir Ihre Vorstellungen dazu herüber.
25. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 7. April 2009.
Das wird Ihnen so bald niemand nachmachen! Haben Sie herzlichen Dank. Zu dem Text habe ich nichts zu sagen; zum Teil ist er der Ihre, zum anderen Teil besteht er aus (gut gewählten) Auszügen. Wünschenswert wäre, daß die noch fehlenden Umschlagbilder eingefügt werden könnten: S. 4 „Bürgerkrieg“ und „Heidegger“; S. 5 „Die Deutschen...“ Gegf. kann ich sie Ihnen zur Verfügung stellen. Wir fahren am Ostersonntag nach Brunsmark und bleiben bis zum folgenden Samstag. Wenn Sie Lust und Zeit hätten, bei uns hereinzuschauen, können Sie sie mitnehmen, ich könnte sie aber auch per Post schicken.
„Der Faschismus in seiner Epoche“ hatte sechs Hardcover- und fünf Taschenbuchauflagen; auf S.3 sollte also wohl geschrieben werden „1963. 11. Auflage 2000“. Was den Verkauf angeht, so würde sicherlich der Hinweis genügen, daß das Buch in jeder guten Buchhandlung erhältlich ist. Den Verleger, Herrn Krause-Landt, sollten Sie in absehbarer Zeit einmal in Berlin kennenlernen.
Ansonsten wären nur einige kleine Versehen zu korrigieren:
S.4 „Wenn Hitler gesiegt hätte...“ Das Erscheinungsdatum des „Heidegger-Buches“ war 1992;
S.5 links Mitte und unten „die“ statt „dier“ ….“eine Diktatur von neuer, bisher nicht dagewesener Art.“ Rechts oben: „es“ statt „wes“[.]
Ich habe diesen Brief als e-mail durchgebracht: der Apparat ließ mich wissen, „recipient address must contain a domain“.
26. Ernst Nolte an Bernd F. Schulte, 27. April 2009.
Ich habe Ihren Entwurf mit Interesse gelesen. Ich finde es sehr richtig, daß Sie die angeblichen „Kriegsräte“ in den Kontext der unterschiedlichen Krisen der Jahre vor dem Weltkrieg gestellt haben; ob hier ein klares Übergewicht der kriegerischen Überlegungen oder sogar Entschlüsse auf deutscher Seite festgestellt werden kann, müßte wohl noch ausführlicher erörtert werden. Mir rief das Ganze eine Äußerung lebhaft ins Gedächtnis zurück, die wohl von Bismarck stammt. Für die ich aber die Belegstelle nicht anzuführen vermag: die Situation in Europa sei mit derjenigen in einem dunklen Walde zu vergleichen, in dem mehrere Männer herumirrten. Sobald einer ein Geräusch höre, das ihm verdächtig vorkomme, ziehe er eine Pistole, und auf ähnliche Weise handelten die anderen Wanderer. Es ist ein Bild für die souveränen Nationalstaaten und deren gefahrvolle Beziehungen. Eine eindeutige und weitreichende Angriffsabsicht ist in meinen Augen nur nach 1917 von den Bolschewiki geäußert worden, die diese Situation gerade überwinden wollten und sich damit dem Verdacht aussetzten, sich die Weltherrschaft zum Ziel zu machen. Direkt vergleichbar ist nur der Hitler von „Mein Kampf“, und das müsste doch wohl auch gefragt werden, ob es sich um bloße Phantasien oder um realisierbare Pläne handelte.
27. Bernd F. Schulte an Ernst Nolte, 4. Juni 2009.
Die Diskussion um „Deutsche Policy of Pretention. Der Niedergang eines Kriegerstaates, 1871-1914“ (der Band ist im Andruck/ich bin gespannt) beginnt, bevor dieser heraus ist. Ihre Bemerkung über das „Pfeifen im Walde“ war der Anfang. So habe ich die Aspekte, die sich ergeben, noch einmal zusammengefaßt.
Die Auseinandersetzung mit der „deutschen Policy of Pretention“(zeitgenössisch-modisch: „Bluffpolitik“ /“Festgeblufft“=1914) ist geboren aus zwei Gründen:
a) war der Aufsatz zu der „Krisenkonferenz vom 8.12.1912 in Berlin“ so nicht mehr druckbar,
b) gab der Hinweis auf die „Policy of Pretention“ der NATO in Afghanistan (um deren Existenz zu begründen), so ein UNO-Vertreter im „smalltalk“, die Gedankenverbindung zu den deutschen Überlegungen zwischen 1905 und 1914,
c) ist das Material zu der deutschen Politik zwischen 1860 und 1914 seit 1978 auf meinem Tisch..., dass ich nicht an mich halten konnte.
Die „Fahnenflüchtigen“ Schüler Fischers: Stegmann, Witt (Wendt/Zechlin-Mann!), Vogel etc. begründen den Verlust der wissenschaftlichen Position zum Ersten Weltkrieg (vgl. „Weltmacht durch die Hintertür“/Publikation zur Geschichte der Hamburger Universität (E. Krause) und dem Versuch, Fischer auf Sozialgeschichte einzugrenzen). So konnte sich Mommsen mit seiner, aus Schieder geborenen Ablehnung jeglicher Zielgerichtetheit (Hildebrandt, Dülffer als Garnierung zur Außenpolitik, Wehler (s. Schieder) zur Strukturgeschichte à la Fischer durchsetzen. Rechte SPD ist „in“, da diese seit 1999 (vorher mit der CDU Kohls) unverändert in der Regierung ist (s. MGFA Potsdam). Das unrühmliche Bündnis der Historiker mit der Armee gehört hierher.
Das „Hineinschliddern“, als „Topos“ der Forschung, hat sicherlich Tradition. Ist doch Lloyd George, im Zuge der Reparationsverträge und des zunehmend unausweichlicheren Ausgleichs mit der Republik (US-Kapital bis 1928), zu der Formel des von allen zu verantwortenden Anteils am Kriegsausbruch 1914 hervorgetreten. Grey: „In Europa gingen die Lichter aus“. Angesichts des riesigen Fatums, in der Sache individuell zu verstehen (vgl. Bethmann Hollwegs Arbeit /mit Rassow an seinen Erinnerungen und Betrachtungen zum Weltkrieg). Nach 1945 die Schulbucheinigung (G. Ritter) mit Frankreich über den Anteil am Ersten (und Zweiten) Weltkrieg – der eine nicht, der andere zugegeben, führte zu eben derselben Parole, um den politischen Neuanfang zu ermöglichen.
Mit Händen zu greifen ist die politische Geschichtsschreibung in der Konfrontation mit dem ideologischen Gegner im Osten. Die Front zu härten, begründete alles.
Die „Krisenkonferenzthese“ übernahm Mommsen bereitwillig-übereilt, schien dieser Begriff doch harmloser, als der „Kriegsrat“. Röhl beharrt auf seinem Begriff (Bd. III, Wilhelm II:) und dessen Schülerinnen Hull und Mombauer behandeln meine Arbeiten unsauber wie die Kölner, Düsseldorfer, Erlanger und Münchener Zirkel der Schöllgen, Schmidt, Hildebrand, Mommsen/ Foerster/Afflerbach etc. Hewitson in England kritisiert nun erstmals die Mommsen-Linie, aber er will auch Fischer korrigieren. Wieder unter Auslassen von Studien, die er nicht nennt, aber abschreibt. - Ein Ferguson auf andere Art.
Mein nicht mit Belegstellen versehener, Ansatz („Policy of Pretention“) aus dem Generalstabsarchiv zeigt die enge Interdependenz der Ämter (und der Politik mit dem Militär). Das, was nicht anders sein kann, ist auch so. Klare, abgestimmte politische Entscheidungsprozesse unter dem Primat der Politik. Erfolgreich über die Jahre nach 1871 praktiziert - bis zum Weltkrieg. Es ist für mich daraus (von Ritter) das Gegenteil gemacht worden, obwohl die Originalakten eben nicht Polykratie zeigten. Daran hängt sich Mommsen 1973 an (L. Just-Handbuch/MGM) und Corneliessen schreibt zu Ritter (ohne Bezug darauf) eine vernebelnde Biographie. Ritter als der Vordenker bundesdeutscher, gegenwärtiger Geschichtswissenschaft.
Es geht um das Ausschließen jeglicher Befähigung (qua Struktur) zum Kriegsentschluß. Dieser stand immer wieder an: 1875, 1877/78, 1887, 1904/05, 1908/09, 1911, 1912, 1914. Wie konnte es auch anders sein? Wissen wir, wie oft derartiges in Washington und Moskau Thema war und ist? Ich verstehe so die Großmachtphase ...